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Meldung vom: | Verfasser/in: Claudia Hilbert

Überflutungen, mehrere 10.000 Haushalte ohne Strom, die Trinkwasserversorgung kurz dem Zusammenbruch, zerstörte Häuser und gesperrte Straßen aufgrund von Schlammlawinen: Nach Rekordregenfällen in Zentralchile am letzten Januar-Wochenende 2021 ist die Situation in der Hauptstadt Santiago de Chile angespannt. Die Region ist regelmäßig von Schlammlawinen, sogenannten Muren, betroffen und der Umgang mit dieser Naturgefahr stellt die regionalen Behörden immer wieder vor Herausforderungen.
Ein Forschungsteam des Instituts für Geographie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Pontificia Universidad Católica de Chile hat daher die Murenaktivität in den Anden von Santiago de Chile untersucht. Die Wissenschaftler haben ein Modell entwickelt, das die Wahrscheinlichkeit für einen Murengang und den Verlauf des Schlammstroms vorhersagt. Die Kenntnis der Quelle und des Auslaufs von Murgängen kann bei der Planung von Strategien zur Abschwächung dieser Gefahren helfen, schreiben die Forscher in einem Artikel im Fachjournal Natural Hazards and Earth System Sciences, der heute (3. Februar) als Preprint veröffentlicht wurde.
Immer wieder kommt es zur Unterbrechung der Trinkwasserversorgung aufgrund von Muren
Wasser ist ein knappes Gut im Trockengebiet von Santiago de Chile. Gerade die Trinkwasserversorgung der fünf Millionen Einwohner hängt am Tropf der Gletscher der Hochanden. Doch Murgänge und Bodenerosion haben in den vergangenen Jahren mehrfach zu einer Unterbrechung der Trinkwasserversorgung in Teilen Santiagos geführt, zuletzt im Jahre 2017. Um dieses Problem besser zu verstehen, untersuchte das Team um die Jenaer Geographen Prof. Dr. Alexander Brenning und Dr. Jason Goetz gemeinsam mit chilenischen Partnern Massenbewegungsprozesse im oberen Einzugsgebiet des Río Maipo – einem Fluss, der in den Anden entspringt, südlich an Santiago de Chile vorbeifließt und schließlich in den Pazifik mündet. Das Innovationszentrum CETAQUA Chile hat das Projekt „Mass movement processes in the upper Maipo basin: Modelling the susceptibility and probable sediment transfers” in den vergangenen zwei Jahren gefördert.
Innovativer Modellierungsansatz nutzt Open-Source-Software
Im Rahmen des Projekts hat die Forschungsgruppe einen innovativen Modellierungsansatz entwickelt, mit dem sich rechenintensive Simulationsmodelle auf der Ebene ganzer Einzugsgebiete anwenden lassen. Das entwickelte und nun veröffentlichte Verfahren kombiniert verschiedene Geodaten wie satellitenbasierte Karten der Region mit statistischen und physikalischen Modellierungsansätzen auf Basis von Open-Source-Software. Mithilfe des neuen, automatisierten Modellierungsansatzes ist es möglich, Hangbereiche auszuweisen, die Muren hervorbringen können, welche auch kritische Infrastruktur wie Straßen zerstören oder trinkwasserführende Flüsse verschmutzen können. Solche Gefährdungskarten erlauben es, durch verbesserte Raumplanung und stabilisierende Maßnahmen Risiken zu minimieren.
Für die aktuelle Situation in Santiago de Chile bringen die Ergebnisse zwar leider keine Linderung. Doch das neue Verfahren macht prozessbasierte Murgangmodelle für Raumplaner zukünftig leichter zugänglich und kann somit die Gefahrenabschätzung auf regionaler Ebene verbessern, hofft das deutsch-chilenische Forschungsteam.
Originalpublikation
Goetz, J., Kohrs, R., Parra Hormazábal, E., Bustos Morales, M., Belén Araneda Riquelme, M., Henríquez, C., and Brenning, A.: Optimizing and validating the Gravitational Process Path model for regional debris-flow runout modelling, Nat. Hazards Earth Syst. Sci. Discuss. [preprint], https://nhess.copernicus.org/preprints/nhess-2021-22/Externer Link, in review, 2021.

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